Jahresbericht 2010

Jahres-Bericht über unseren Aufenthalt im Senegal 2010

1.) Pierres Aufenthalt ab 10.Dezember 2009

Schon direkt nach seiner Ankunft nahm Pierre Kontakt zu den leitenden Mitgliedern von "Imagine Süd-Nord" auf, um in Zusammenarbeit mit ihnen die Vorbereitung unseres Bauprojekts zu beginnen.

Bei der ersten Besichtigung des erworbenen Grundstücks war er etwas schockiert von seiner Abgelegenheit und beschloss, doch noch zu versuchen, ein grösseres und näher an der Stadt gelegenes Grundstück für unser Projekt zu bekommen.

Sie baten also um Audienz bei dem Bürgermeister, dem Präfekten und dem Gouverneur von Kaolack und Region, um unser Projekt vorzustellen und ein Grundstück dafür zu bekommen.

Sie wurden von einem Stellvertreter des Präfekten, einer Beauftragten des Bürgermeisters und dem Gouverneur empfangen und jeder war von unserem Projekt begeistert und versprach uns Unterstützung.

In einem Gremium der Stadtverwaltung wurde beschlossen, unser Projekt so bald wie möglich in einer Gemeinderatssitzung vorzustellen und über ein Grundstück dafür zu entscheiden.

Die Reaktionen waren so vielversprechend, dass man erwägen konnte, unser erworbenes Grundstück dann wieder zu verkaufen, um die gesamte Summe für den Bau zur Verfügung zu haben.

Leider war die Sache noch nicht weiter gediehen, als ich Mitte Januar 2010 hinzukam.

  • Unser gemeinsamer Aufenthalt 18. Januar bis 15. Februar 2010

Nach ein paar Tagen Akklamation und Information, erste Versammlung (23.01.2010) mit "Imagine Süd-Nord", bei der wir beschliessen, die verschiedenen "Offiziellen" erneut auf unsere Projekte anzusprechen, vor allem beim Rathaus nachzufragen, wie es mit der Entscheidung für ein Grundstück aussieht.

Daneben werden wir die Dorfältesten von Ngane, dem Stadtteil, in dem unser Grundstück liegt, besuchen, um ihnen unser Projekt näher vorzustellen.

Vom Rathaus wird uns bestätigt, dass wir ein Grundstück "an der Peripherie" der Stadt erwarten können, aber die "Entscheidungsprozedur" brauche eben ihre Zeit.

Auch die Dorfältesten von Ngane sind sehr von unserem Projekt angetan; sie schlagen uns grössere Grundstücke inder Nähe vor, die etwa 200m weiter entfernt und noch nicht erschlossen sind, darum eigentlich billiger. - Aber wenn Europäer dabei sind, werden die Preise in die Höhe geschraubt, gemeinnütziges Projekt oder nicht...

Zusätzlicher Kontakt und neuer Vorschlag: Herr Fall, Direktor der staatlichen Sozialstation der Region Kaolack ("action sociale"), möchte uns für den Bereich unseres Projekts, der die Behinderten betrifft, einen Teil des Grundstücks zur Verfügung stellen, in dem sein Amtsgebäude in Kaolack steht.

Wir haben diesen Vorschlag im Verlauf meines weiteren Aufenthalts verfolgt, denn das Grundstück ist wirklich sehr zentral gelegen und das ist für die Behinderten, die sich immer im Stadtzentrum treffen, sehr praktisch. Allerdings ist das gesamte Grundstück Staatsbesitz, und wir hätten keine Garantie dafür, dass unser Projekt dann immer dort weitergeführt werden kann (zum Beispiel bei Direktorenwechsel). Vorerst habe ich ihm versprochen, mit den Vereinsmitgliedern in Deutschland darüber zu beraten, vielleicht auch staatliche Unterstützung dafür zu suchen, denn auf senegalesischer Seite wäre ja der Staat unser Partner in dieser Sache.

3.) unser Bauprojekt

Hiermit habe ich die chronologische Berichterstattung verlassen, denn sie hätte im Folgenden keinen grossen Sinn, weil sie hauptsächlich von Amtsgängen und Ärger mit den Büro-"Machthabern" erzählen würde....

Tatsache ist nämlich, dass wir Ende Januar beschlossen haben, unser Projekt auf dem erworbenen Grundstück in Gang zu bringen und die eventuelle Grundstückszuteilung der Stadt zwar weiter zu verfolgen, aber für spätere Projekte, denn "besser ein Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach", und ich sah die Zeit mir davonlaufen...

Fazit: ein neuer Plan wurde in Auftrag gegeben, auf der Grundlage des ersten von Michael Gerspacher, aber auf die Dimensionen unseres Grundstücks reduziert und den senegalesischen Verhältnissen und Regeln angepasst.

Nachdem wir für staatliche Abgaben verschiedener Art (Details im Finanzbericht) doch schon ziemliche Ausgaben hatten (mit Hilfe des Gouverneurs wurden übertriebene Forderungen zum Glück etwas gemässigt), wurde nur ein erster Bauabschnitt mit drei Unterrichtsräumen, einem Büro und Toiletten zur Genehmigung eingereicht, damit die Stadt nicht auch noch eine mächtige Summe dafür verlangt.

Um doch eine Idee vom zeitlichen Verlauf zu bekommen, muss ich sagen, dass wir es gerade noch geschafft haben, die Baugenehmigung zwei Tage vor meiner Abreise, am 12.April, endlich fertig einzureichen. Es war ein wahrer zweimonatiger Hürdenlauf! (Ich spüre jetzt beim Schreiben im Nachhinein noch den Stress und die Erschöpfung! Zudem mussten wir letzten Monat erfahren, dass unser Antrag bösartig blockiert worden war und von unseren Partnern nochmal eingereicht werden musste! )

Parallel wurde der Brunnenbau begonnen, der viel Freude brachte, aber auch teilweise grossen Stress, denn die Brunnenbauer hatten "vergessen", uns zu sagen, dass sie 2 km weiter schon einen Brunnenauftrag begonnen hatten. So mussten wir ihnen immer wieder "nachrennen", um voranzukommen! Für die Arbeit selbst aber können wir ihnen nur gratulieren und dankbar sein, denn es ist zugleich "Knochenarbeit" und eine Kunst, von Hand einen Brunnen zu graben und zu bauen!

Die Fotos und kleinen Filmsequenzen der Arbeit sagen mehr aus als ein langer Bericht.

Später, als uns klar wurde, dass wir nicht mit einem Baubeginn vor meiner Abreise rechnen können würden, wuchs nach und nach die Idee, ein kleines afrikanisches Lehmhaus zu bauen, für das keine Baugenehmigung erforderlich ist.

Lehm stand uns direkt zur Verfügung, denn der Brunnenaushub bestand nach einer kleinen Sandschicht vollkommen aus Lehm.

Das traditionell 4x4m grosse Einzimmerhaus soll vorerst für Materialaufbewahrung und dann als Unterkunft für einen Wächter bzw, die Gartenarbeiter dienen, denn solange unser Bau nicht beginnen kann, soll das Grundstück armen Familien aus Ngane für Gemüseanbau zur Verfügung stehen, natürlich unter Betreuung von Imagine Süd-Nord.

Dieses Lehmhaus wird unserem Gemeinschaftsraum direkt gegenüber stehen und soll als afrikanisches Kulturgut geachtet und benützt werden.

Um es noch vor meiner Abreise fertig zu bekommen, brachten unsere Partner eine tolle Koordination zustande: Ousseynou machte einen Arbeitsplan und organisierte das Material für's Dach, Aida brachte zwei junge Männer aus Latmingué nach Kaolack, die in zweieinhalb Tagen den Lehm stampften und Ziegel herstellten, und Ablaye fand einen Maurer, der den Bau leitete.

Da der Brunnen noch nicht fertig war, organisierte Ablage anfangs auch die Wasserversorgung.

So konnten wir einen Tag vor meiner Abfahrt das Haus mit Strohdach und fertigem Innenputz als angenehm kühle Unterkunft geniessen und bewundern!

Auch hier sprechen die Bilder besser als viele Worte...

4.) Unsere Partner

Die fast tägliche Zusammenarbeit mit unseren Partnern von Imagine Süd-Nord war wunderbar, die grösste Motivation für uns, nicht den Mut zu verlieren.

Der erste Vorsitzende, Elhadji N'Diaye, auch "Nalla" genannt, war vor allem bei den Amtsgängen nach Pierres Abreise mein bester Helfer, hat sich auch als feinfühliger Vermittler bei Personenkonflikten erwiesen und ist nach unserer Rückkehr unser ständiger Kontakt (über Internet wenn's denn funktioniert, sonst per sms).

Die Schatzmeisterin Aida Loum, schon bei unserer vorigen Reise 2008 unsere ständige Begleiterin und Mittelsperson, stand mir fast täglich beiseite. Sie hat ihre Ausbildung zur Krankenpflegerin mit Erfolg abgeschlossen und versucht bis jetzt vergeblich,eine Stelle,selbst im abgelegensten Dorf, zu bekommen. Leider hat sie keine "Beziehungen" und muss warten... Ich hoffe, dass wir ihr weiterhelfen können, dass sie ihren Beruf wieder ausüben kann (sie hatte vor ihrer Ausbildung schon als Helferin gearbeitet).

Der "Generalsekretär" Ousseynou Niang, als Sozialarbeiter bei der Organisation "Enda" engagiert und viel beschäftigt, war so oft es ihm sein Zeitplan erlaubte, mit "im Boot".

Ablaye, Pierres jüngerer Bruder und Mitglied von Imagine Süd-Nord, hat sich unermüdlich um den Brunnenbau gekümmert, das heisst: Materialbeschaffung (nach und nach, damit nicht ein Teil verschwindet), fast jeden Tag vor Ort die Arbeit überwachen usw; zusammen mit dem Lehmhausbau war es ein erschöpfender Vollzeitjob, für den er eine Medaille verdient hätte!

Nach unserer Abreise wurde unter seiner Regie weiter am Brunnen und dem Lehmhaus gearbeitet, ein Reservebecken für Bewässerung angefertigt und ein Stück Erde zur Bepflanzung vorbereitet.

Der Geschichtslehrer Abda N'Diaye stand uns beiseite, wenn's Probleme mit den 2 gebraucht gekauften Computern gab. Die stehen jetzt unseren Partnern zur Verfügung, die inzwischen schon ganz gut damit zurechtkommen, aber immer auf seine Hilfe bauen können.

Auch mit einigen Grundschullehrern und Kindergärtnerinnen (nicht alle sind schon Vereinsmitglieder, aber alle sind sehr interessiert) stand ich in Kontakt, in Voraussicht unserer schulischen Projekte. (Dazu noch ein Extrakapitel )

Auch der Verein Handi-Imagine hat mitgewirkt, soweit es ging.

Der Generalsekretär Sidi Fall hat darauf bestanden, uns trotz Schwierigkeiten bei manchen Amtsgängen zu begleiten und zu unterstützen. Einige hochnäsige Beamte sahen sich dann auch genötigt, sich etwas menschlicher zu zeigen...

Die Vereinsmitglieder hoffen sehr, dass die Ausbildungs- und Atelierprojekte bald beginnen. Vor allem das Rollstuhlatelier stösst auf grosses Interesse. Der Präsident erklärte mir, dass er selbst Rollstühle rapariert und sogar sein Spezialgefährt (siehe Foto) selbst konzipiert hat. Das entsprechende Material und Werkzeug ist aber sehr schwer zu bekommen, das wird dann zu unserem Sachspendenaufruf hinzukommen, damit bei Fertigstellung des Gebäudes ein Container bereit zur Abreise ist.

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Erschöpfte uns der Ärger mit den Behörden, der Heisshunger mancher Beamter auf Geld, das ewige Warten bei jedem Unterfangen, fanden wir doch immer wieder neue Energie, weil wir täglich sahen, wie viele Menschen sich von Tag zu Tag durchschlagen müssen, um zu überleben - unsere Begleiter selbst gehören teilweise dazu. Und wir wissen, dass wir mit unserem bescheidenen Projekt doch viel bewirken können.

Darum hoffen wir, dass auch unsere Mitglieder nicht die Geduld verlieren, wenn alles nicht so schnell geht wie erwünscht. Wenn wir "dranbleiben", schaffen wir etwas, wozu die meisten Vereine Riesensummen brauchen, von denen automatisch ein Teil von gierigen "Mitessern" abgelenkt wird, die begeistert grosse Projekte aufnehmen und feiern, um danach besser abzusahnen.

Danke an alle für die Unterstützung und Geduld! (3 Monate nach meinem 3-monatigen Aufenthalt konnte ich mich endlich ans Schreiben machen....und es bleibt noch viel zu erzählen...)Hier Text eingeben ...